[Rezension] Im Glashaus gefangen zwischen Welten | Devakumaran Manickavasagan

Dienstag, 20. Dezember 2016


Seiten: 188
Verlag: Engelsdorfer
Ersterscheinung: 31. Juli 2012
ISBN: 9783862689200
Format: Taschenbuch
Preis: [A] 11,90 €  |  [D] 11,50 €
Untertitel: Ein Leben zwischen zwei Kulturen
Genre: Autobiografie; Ratgeber

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Mein Lesezeitraum: 28. Nov. - 10. Dez. 2016




Die Buchrückseite
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»Im Glashaus gefangen zwischen Welten« bietet einen Einblick in das Leben von Migranten, die ihre Heimat verlassen haben, um im Exil einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen. Am Beispiel der Jugend der in Deutschland lebenden Exil-Tamilen, zu denen er selbst gehörte, beschreibt der Autor Probleme und Hindernisse, die mögliche Gründe für eine verfehlte Integration sind. Von der einen Kultur in die andere gestoßen und ihren Gefühlen verletzt, wissen sie oft nicht, wie ihr weiterer Weg verlaufen soll. Der Blick hinter die Kulissen ermöglicht betroffenen Migranten eine andere Sichtweise auf die Dinge und zeigt mögliche Wege auf.


Der Erste Satz
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Armut und Elend begleiten den Alltag und man sieht der Zukunft hoffnungslos entgegen.


Meine  Meinung
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Im Glashaus der gefangenen Emotionen

Dem Leben mutig und selbstbewusst (sich seiner SELBST bewusst) entgegen zu gehen, das ist schon für viele in unsere Kultur Hineingeborene nicht immer leicht. Für Menschen fremder Kulturen, ganz besonders für die hier bei uns lebende tamilische Gesellschaft aus Sri Lanka und Teilen Indiens, ist es noch viel schwerer, vor allem, weil deren Leben und Persönlichkeiten ganz stark von kulturellen Zwängen eingeschränkt sind. Man darf sich an dieser Stelle aber nicht vorstellen, dass es im vorliegenden Buch rein um das Zurechtkommen der Migranten in Deutschland geht, nein, vorrangig - und das ziemlich intensiv - gewährt uns Deva hierin einen Einblick in das Seelenleben tamilischer Jugendlicher, die zwischen ihrer eigenen Kultur (bzw. der ihrer Eltern) und der deutschen Mentalität hin- und hergerissen sind und infolgedessen leiden. Es ist sehr oft die Rede von verletzten Gefühlen (die scheinbar für fast jedes schwerwiegende Problem der Grund/Auslöser sein sollen) und Verletzungen der Seele, dessen sich die Exil-Tamilen gar nicht bewusst sind und den psychischen Folgen davon.

Ein Leben in Lügen und Zwängen ist eine dauerhafte Folterkammer!
(S. 156)

»Im Glashaus gefangen zwischen Welten« ist das Lebenswerk des Autors und deswegen kann man sich vorstellen, dass auch einige autobiografische Sequenzen darin zu finden sind.
Deva berichtet von Teilen seiner bisherigen Lebensreise und aus seiner Vergangenheit, die nicht immer so rosig war. Er erzählt, wie (negativ) er damals das Miteinander seiner Eltern und deren Kindererziehung erlebt hat und was das mit ihm gemacht hat bzw. wie seine Gefühle dadurch verletzt wurden und was er in weiterer Folge daraus für seine Zukunft lernen konnte. Ziemlich eindrucksvoll und erstrebenswert fand ich persönlich in diesem Zusammenhang folgendes Zitat:  
~ An oberster Stelle galt für mich damals, anderen Menschen nichts Schlechtes anzutun, unabhängig davon, was sie einem selbst angetan hatten. ~ (S. 88)
 
Obwohl auch eine deutliche Kritik an Eltern tamilischer Kinder bezüglich der Kindererziehung bzw. dem Umgang mit den Gefühlen ihrer Kinder herauslesbar ist, zeigt Deva in anderen Abschnitten wiederum ein bemerkenswertes Einfühlungsvermögen, wenn es um verschiedene Aussagen mancher Menschen geht und kann scheinbar trotzdem großes Verständnis für deren diverse emotionale Verletzungen aufbringen - was mitunter bestimmt daran liegt, dass der Autor selbst sehr intensiv und lange mithilfe therapeutischer Unterstützung an sich gearbeitet hat und seine innere Gefühlsdynamik gut kennenlernen konnte.

Lernt man seine eigenen Gefühle zu entdecken und zu verstehen, so kann es gelingen, dass man die Gefühle und Gedanken anderer versteht.
(S. 175)

Zu dem Stehen, was man ist

Deva hält seine Leser dazu an - und das finde ich nicht nur für die tamilische Gesellschaft sehr wertvoll -, selbst zu denken, alles Gehörte, Gesehene und im Laufe seines Lebens von Älteren Beigebrachte/Vermittelte zu hinterfragen und sich nicht mundtot machen zu lassen. Oft merkt man gar nicht oder oft ist es einem gar nicht bewusst, dass man etwas für sich angenommen hat, das auf Dauer unglücklich macht - sei es jetzt ein gewisses Denken oder beispielsweise eine Verhaltensweise. 
Aus dem eigenen Glashaus auszubrechen ist in vielen Fällen gar nicht so einfach, besonders die (Exil-)Tamilen, von denen Deva spricht, haben es in meinen Augen noch viel schwerer als die Menschen in unserer Kultur. Wenn man mit seinem Leben unzufrieden ist - völlig gleich, ob Tamile oder nicht - braucht es eine Menge innere Stärke und Energie, das eigene Ich und die damit verbundenen existierenden Wünsche anzuhören. Auch ein wenig Übung gehört dazu, denn wenn man nie auf seine wahren Gefühle gehört hat, funktioniert es im ersten Moment vielleicht gar nicht so gut, diese auch wahrzunehmen. 

Jedenfalls hofft Deva, dass er mit seinem Buch, in dem er uns teilweise ja auch auf seine ganz persönliche Reise nach der eigenen Erkenntnis mitnimmt, seinen tamilischen Lesern (aber nicht ausschließlich) Mut zu machen und Unterstützung für ihren eigenen Lebensweg anbieten zu können.


Persönliche Bewertung
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Weitere Buchzitate
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~ Eine Flucht vor irgendetwas ist stets gefolgt von Angst und Unsicherheit. ~ 
(S. 11)

~ Geld und Ruhm führen zu Einseitigkeit, während Liebe einen Menschen in seiner Gesamtheit reich machen kann. ~  
(S. 19)

~ Meines Erachtens ist die Religion ebenfalls ein weiteres Glashaus, in dem die Menschen ihre Zuflucht suchen. ~ 
(S. 55)

~ Mit der ständigen Angst zu leben, von anderen verletzt zu werden, macht einen 
Menschen auf Dauer grundlegend misstrauisch gegenüber seiner Umwelt. ~ 
(S. 105)

~ Warum sollte man das Denken anderen überlassen, wenn man es selbst kann? ~  
(S. 131)

~ Der Einklang mit sich selbst und dem Leben bildet die Basis für das Empfangen des Glückes. ~ 
(S. 132)

~ Man sollte nicht vor dem zurückschrecken, was man bei der Geburt mitbekommt. ~ 
(S. 143)

~ Die Gewöhnung daran, das Denken der Masse zu überlassen, verursacht den Schlaf in den eigenen Gedanken. ~  
(S. 167)

~ Sich ständig einzureden, dass man bestimmte Dinge nicht kann, hat zur Folge, dass man diese 
Gedanken tief in seinem Kopf verankert und aus diesem Denkmuster nicht mehr herauskommt. ~ 
(S. 179)




Der Autor
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Devakumaran Manickavasagan, geboren 1987 in Ratingen. 2009 brachte ihn seine Reise nach Aachen, wo er einige Semester BWL studierte. Lange Zeit beschäftigte er sich durch seinen Austausch mit Betroffenen, durch Beobachtungen und persönliche Erfahrungen mit dem Leben zwischen zwei Kulturen.
 





Ein Interview mit Deva könnt ihr euch hier ansehen:




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4 Kommentare:

  1. Hey :)
    Hört sich wie ein interessantes Buch an. Bei solchen Thematiken fürchte ich (wie viele andere Leser sicherlich auch), dass irgendeine Botschaft mit einem Moralknüppel aufgedrängt wird. Leider habe ich bisher fast immer solche Erfahrungen gemacht :') Aber dieses Buch hört sich gut an, also gebe ich ihm eine Chance.

    Liebe Grüße
    Carly

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    1. Liebe Carly,
      ich kann deine Befürchtung gut verstehen - solche Ratgeber gibt es immer wieder, die einem dieses Gefühl vermitteln. Bei "Im Glashaus gefangen zwischen Welten" hatte ich jedoch nicht den Eindruck, als würde der Autor die Moralkeule schwingen.

      Alles Liebe dir ♥,
      Janine

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  2. Hier will ich gar nicht lange um den heissen Brei herumreden und sage einfach nur: Danke! Danke dafür, dass ich Dich erreichen konnte. Das war und ist nach wie vor mein Ziel mit diesem Werk.

    Als ich neulich vor den Jahrgangsstufen 9 & 10 einer Realschule sprach, konnte auch diese jungen Menschen mitnehmen und erreichen. Ein Moment, den ich auf meiner Reise durchs Leben stets in Erinnerung behalten werde....

    Viele Grüsse aus Köln,
    Deva

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    1. Sehr gerne, lieber Deva! :) Mich hat dein Buch tatsächlich auf eine Weise erreichen können, was ich (so) erst nicht erwartet habe. Und ich hoffe und wünsche mir für dich, dass meine Rezension eine weitere Hilfe darstellt, noch mehr Menschen auf dein Buch aufmerksam zu machen, die sich daraus dann bald eventuell ebenfalls etwas Wertvolles mitnehmen können.

      Alles Liebe,
      Janine

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